Liebe Angehörige der FAU, liebe Studierende, meine sehr verehrten Damen und Herren, mein heutiger Gast
beschäftigt sich wissenschaftlich mit einer Fähigkeit, die ich auch manchmal gerne hätte,
dem Gedankenlesen. Frau Professorin Dr. Luisa Kuhlke kam vor kurzem von der Universität
Göttingen an unsere FAU und sie hat bei uns eine Professur für Neurokognitive Entwicklungspsychologie
übernommen und vertritt dieses Fach in Forschung und Lehre. Liebe Frau Kuhlke, ich begrüße Sie
ganz herzlich. Wie geht es Ihnen? Vielen Dank, mir geht es gut. Ich freue mich, hier zu sein und mit
Ihnen sprechen zu können. Prima. Frau Kuhlke, was denke ich denn gerade? Sie fragen sich, was ich
jetzt wohl antworten werde. So leicht ist es leider nicht. Wir können als Menschen natürlich keine
Gedanken lesen, aber als Erwachsene verfügen wir immerhin über eine sogenannte Theory of Mind. Das
ist die Fähigkeit, anderen Menschen bestimmte Gedanken, Überzeugungen und Gefühle zuzuschreiben.
Ein Beispiel wäre, wenn ich jetzt zu Ostern Schokolade-Eier kaufe und die in die Küche stelle und
mein kleiner Sohn das sieht, dann weiß ich, dass er später danach suchen wird. Wenn ich jetzt
zwischendurch in die Kita bringe und in der Zeit die Ostereier heimlich mit ins Büro nehme,
dann weiß ich, dass wenn er zurückkommt, er trotzdem noch in der Küche danach suchen wird,
obwohl das jetzt falsch wäre. Und das heißt, ich bin in der Lage, ihm eine falsche Überzeugung
zu etwas zuzuschreiben. Das wäre so ein klassisches Beispiel für diese soziale Fähigkeit
der Theory of Mind. Und in meiner Forschung interessiert mich besonders, wie sich diese
Fähigkeit entwickelt, aber auch wie ganz simple Aufmerksamkeitsprozesse von sozialen Fähigkeiten
oder Interaktionen beeinflusst werden. Das klingt sehr spannend. Wie muss ich mir denn
Ihre Forschung praktisch vorstellen? Ich meine, holen Sie die Probanden dann rein und fragen,
was Sie gedacht haben oder wie läuft das praktisch ab? Man kann die Probanden natürlich fragen,
aber da stoßen wir ganz schnell an unsere Grenzen, vor allem wenn wir nonverwale Populationen wie
Säuglinge testen wollen. Das heißt, wir benutzen in der Forschung vor allem zwei Methoden. Das
erste ist Eye Tracking. Damit können wir Augenbewegungen messen. Und meistens ist es so,
dass wir uns die Dinge angucken, die wir besonders interessant finden. Das kann man schon ab dem
Säuglingsalter messen. Jetzt ist es so, dass wir manchmal aber auch unsere Aufmerksamkeit auf
Dinge richten, die wir nicht angucken, sozusagen aus dem Augenwinkel hinaus. Und da kommt jetzt
unsere zweite Methode ins Spiel, die Elektroencephalographie EEG. Und damit können wir
Hirnströme messen. Das heißt, wir können herausfinden, ob das Gehirn verstärkt auf
etwas reagiert, selbst wenn wir es gerade nicht ansehen. Wir also ohne hinzusehen unsere
Aufmerksamkeit auf etwas richten. Und was bestimmt in uns, wohin wir unseren Blick richten? Ist das
verstanden? Da gibt es wahnsinnig viele Faktoren, die das bestimmen und die lassen sich grob zu zwei
Funktionen zuordnen. Die erste Funktion von unserem Blickverhalten ist selbstverständlich
Informationen über die Umgebung zusammen. Das heißt, der Blick fällt auf die Dinge, die wir
gerade interessant finden, wie vielleicht eine besonders interessante Farbe oder Form oder auch
sozial relevante Dinge in der Umgebung. Sobald wir uns aber in einer sozialen Situation befinden,
zum Beispiel, gibt es noch eine zweite Funktion vom Blickverhalten. Und das ist eine soziale
Signalfunktion. Das heißt, mit den Blicken können wir anderen Menschen Hinweisreize geben. Und da
gibt es bestimmte implizite Regeln. Zum Beispiel, wenn ich bei fremden Menschen weggucke, heißt es,
ich habe kein Interesse, mich zu unterhalten. Wenn ich eine fremde Person angucke, dann wäre das
vielleicht ein Hinweis, dass ich eine Unterhaltung initiieren möchte. Und auch in der Unterhaltung
selbst gibt es bestimmte implizite Hinweisreize oder Signale. Zum Beispiel ist es so, dass man
häufig, wenn man anfängt, was zu sagen, erst mal wegguckt, um sich selbst zu orientieren und auch
das zu konzentrieren, was man sagen möchte. Wenn man dann am Ende des Satzes anguckt, dann würde
man wieder die andere Person ansehen, um zu signalisieren, man ist fertig mit dem Satz und
die andere Person darf jetzt antworten. Jetzt haben wir derzeit eine Pandemie. Das heißt,
wir befinden uns ja alle in einer sehr besonderen Situation und wir begegnen uns ja auch nicht mehr
persönlich, sondern wie wir beide jetzt, man spricht am Bildschirm miteinander. Verändert
das an sich auch die Wahrnehmung der Menschen untereinander oder wie wird das aus Ihrer
psychologischen Sicht bewertet? Das spielt tatsächlich eine wichtige Rolle. Wenn wir uns
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:08:56 Min
Aufnahmedatum
2021-03-26
Hochgeladen am
2021-03-31 15:12:07
Sprache
de-DE